Lange Zeit waren Home Energy Management Systeme (HEMS) vor allem etwas für Technikbegeisterte und Bastler. Mit Open-Source-Lösungen wie Home Assistant, evcc, ioBroker, KNX, OpenHAB oder FHEM konnten technikaffine Nutzer ihre Häuser automatisieren und große Verbraucher wie Wallboxen, Energiespeicher und Wärmepumpen effizient steuern. Doch in den letzten Jahren hat sich die Landschaft verändert: HEMS entwickeln sich vom Nischenprodukt zur massentauglichen Lösung – dank Innovationen von Geräteherstellern, neuen Marktteilnehmern und regulatorischen Anforderungen wie dem §14a EnWG oder dynamischen Stromtarifen.
Ein rasant wachsender Markt: Das Potenzial für HEMS in Deutschland ist enorm:
- 13 Millionen Einfamilienhäuser bieten einen breiten Anwendungsbereich
- Bereits heute gibt es mehr als 1,5 Millionen Elektrofahrzeuge, 3,1 Millionen PV-Anlagen bis 20 kW, 1 Million Batteriespeicher bis 20 kW und 2 Millionen verbaute Wärmepumpen.
- Bis 2030 werden ca. 6 Millionen Wärmepumpen und 15 Millionen Elektrofahrzeuge im Bestand sein.
- Der intelligente gesteuerte Eigenverbrauch durch flexible Verbraucher (Elektrofahrzeug, Wärmepumpe und Batteriespeichr) ermöglicht wirtschaftliche Chancen sowie eine bessere Integration von PV-Anlagen in die Niederspannungsnetze.
- Der §14a EnWG wird ein zentraler Treiber für HEMS in Deutschland. Er fordert die digitale Steuerbarkeit steuerbarer Lasten und etabliert HEMS als Verbindungspunkt zwischen Haushalten und Netzbetreibern – eine Entwicklung, von der Kunden durch reduzierte Netzentgelte in Höhe von mehreren Hundert Euro pro Jahr profitieren können.
- Dynamische Stromtarife und variable Netzentgelte – ein HEMS kann die Spread zwischen teuren und günstigen Zeiten optimal nutzen, speziell in Verbindung mit variablen Netzentgelten
Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Markt für HEMS in den nächsten Jahren stark wachsen wird – angetrieben durch die zunehmende Elektrifizierung in den Sektoren Mobilität und Wärme sowie Anpassung der Last an lokale fluktuierende Erzeugung in Verbindung mit dem Stromnetz.
Wie sieht ein HEMS heute in der Praxis aus?
Die meisten Home Energy Management Systeme konzentrieren sich derzeit auf die lokale Kostenoptimierung. Sie steigern den Eigenverbrauch von PV-Anlagen, integrieren variable Stromtarife und überwachen den Energieverbrauch sowie die Kosten in Echtzeit. Viele Energiemanagement-Hersteller setzen auf Controller, Gateways oder Bridges, die entweder als eigenständige Geräte geliefert,bereits direkt in PV-Wechselrichter, Batteriespeicher oder Wallboxen integriert sind oder über Clouddienste funktionieren.
Für Installateure ergeben sich daraus neue Möglichkeiten: Sie können ihr Angebot erweitern und vom reinen Solaranlageninstallateur zum Komplettanbieter für PV, Batteriespeicher, Wallboxen und HEMS werden. Das eröffnet ihnen die Chance, ein umfassendes Energiemanagementsystem aus einer Hand anzubieten – ein Mehrwert, der zunehmend von Kunden nachgefragt wird.
Kosten und Geschäftsmodelle: Die Kosten für ein HEMS variieren je nach Anbieter und System:
- Lokale hardwarebasierte HEMS kosten in der Regel zwischen 250 und 1000 Euro, oft inklusive Hardware (z. B. Controller oder Gateways).
- Cloud-basierte HEMS bieten günstigere Einstiegslösungen mit Abo-Modellen typischerweise 3 bis 10 Euro pro Monat.
- Nicht zu unterschätzen, Planung und Inbetriebnahme des jeweiligen Systems.
§14a EnWG: Treiber mit aktuellen Herausforderungen
Der §14a EnWG ist ein Notfallinstrument der Netzbetreiber und steht in Verbindung mit weiteren Folgen für den Netzbetreiber. Die flächendeckende Umsetzung der netzorientieren Steuerung über das Smart-Meter-Gateway in Verbindung mit einer CLS-Steuereinheit wird noch die folgenden Jahre andauern. Dabei setzen Netzbetreiber auf CLS-Steuerlösungen über Relais und EEBus sowie auf eine Übergangslösung über Rundsteuertechnik. Die Unsicherheiten in der Kommunikationskette sorgen jedoch bei Herstellern teilweise für Zurückhaltung. Im HEMS konkret bedeutet das, es gibt Systeme mit einer EEBus-Variante, mit einer Relais-Variante, mit einer Hybrid-Variante (EEBus und Relais) sowie HEMS die keine Lösung für §14a EnWG anbieten.
Schnittstellen und Kompatiblität: Eine zentrale Herausforderung
In der Planung von HEMS ist die fehlende Interoperabilität eine Herausforderung für Installateure und Verbraucher. EinGroßteil der HEMS kann steuerbare Verbraucher fremder Hersteller integrieren. Jedoch ist das auf die zum Produkt spezifische Kompatbilitätsliste limitiert. Das stellt speziell in bestehenden Installationen und in zukünftigen Erweiterungeine Herausforderung dar. Der Markt zeigt derzeit keinen Trend für eine Standardisierung im HEMS „behind the meter“. Unterstützung soll zukünftig das HEMS-Finder-Tool der Hochschule Ansbach bieten (bald verfügbar unter hems-finder.org).
Fazit: HEMS für alle
Home Energy Management Systeme sind längst kein Nischenprodukt mehr. Dank Innovationen von Herstellern, digitalen Stromanbietern und Cloud-Lösungen sind HEMS heute für eine breite Zielgruppe zugänglich.
Doch die Herausforderungen wie z.B. §14a EnWG zeigen, dass klare Standards und technische Leitlinien dringend erforderlich sind. Hersteller, Installateure, Netzbetreiber und Politik müssen gemeinsam daran arbeiten, eine zukunftsfähige Energiemanagementlandschaft zu schaffen.
Das Interview mit Thomas Haupt auf der E-World in Essen, einem Experten für Heimenergiemanagementsysteme von der Hochschule Ansbach, wird Einblicke in mögliche Lösungsansätze geben und beleuchten, wie die Zukunft von HEMS gestaltet werden kann – damit der Übergang zur massentauglichen Lösung für alle Beteiligten gelingt.